cocktail

   
  august '89
Heute war mal wieder ein Cocktail-Abend angesagt.
So gegen 2100 traf ich mich mit Nick, Sandy und Olli in der Blue-Hawaii Bar, wo wir, um uns die Zeit zu vertreiben, wir waren noch nicht so oft in Bars, zunächst eine Runde Tequila Sunrise zum Vorglühen drehten, dann machten wir noch einen kleinen Umweg über Cuba Libre hin zum Ziel unserer Tagesetappe: dem Zombie.
Zu dem Zeitpunkt hatte sich Sandy schon verzogen, da Nick sich im angetrunkenem Zustand ihr gegenüber nicht gerade als Gentleman verhielt, was unsere gute Laune aber in keiner Weise beeinträchtigte, denn in dieser Verfassung brauchten wir keine Frauen mehr, die wir schon kannten.
Weiß der Teufel warum, wir sind wir beim Verlassen der Lokalität gefechtsmäßig besoffen. Als wir so die Leopoldstraße Richtung Wolkenkratzer hochmarschieren, fällt uns auf, daß wir keine Kippen mehr haben. 
Im Rinnstein besprechen wir die Lage. Scheine sind genug vorhanden, wechseln im Wolkenkratzer wäre an sich kein Problem, aber wir sind uns einig, daß der Weg dahin ist viel zu weit wäre um ihn nur mit Sauerstoff und Abgasen in der Lunge zurückzulegen. Während Olli und ich nach Kleingeld kramen, pfeift Nick einer sich in Begleitung befindenden Barbie-Puppe im Stretchkleid nach, was sich im selben Augenblick auch schon als ganz dumme Idee herausstellt. Der Typ spult sich auf:
'Hey willst du'n paar auf die Fresse ?'
Nick antwortet mit der ihm eigenen selbstkritischen Art, daß er solches gar nicht brauche in seinem Zustand fiele er schon ganz von alleine aufs Maul.
Ken wird, Gott sei's gedankt, von Barbie weitergezogen.
Also das letzte Silber zusammen geworfen und hin zur nächsten Fluppenkiste.
Kling Klong, das Geld ist drin und feiert promt zusammen mit den Zigaretten im Automaten eine wilde Orgie, ohne uns daran beteiligen zu wollen. Die Kippen wollen auch trotz gutem Zureden nicht rauskommen. Nick flippt total aus und tritt ein paar mal gegen die Kiste, wobei er bemerkt, daß der Automat an der Wand nicht festgeschraubt, sondern nur aufgehängt ist. Plötzlich ist er dabei, das Ding von der Wand wegzuheben. Schafft es auch. Ich sitze im Rinnstein, reibe mir die Augen und betrachte das Ganze fasziniert, Olli packt mit an. Meine Mutter hatte mich immer vor solchem Umgang gewarnt, nichtsdestotrotz fasziniert mich die Szene:
Nick und Olli schleppen nachts um halb zwei einen Zigarettenautomaten die Leopoldstraße entlang. Diese Faszination teilen auch die Grün-Weißen, die aus ihrem Streifenwagen von der anderen Straßenseite aus ziemlich ungläubig rüberglotzen. Ich hätte nie gedacht, daß ich mit den Brüdern mal was gemeinsam haben würde. 
'hey Jungs, die Bullen. Abflug'
Die beiden lassen den Kasten fallen, wir sprinten Richtung Englischer Garten, verfolgt von den Hütern des Gesetzes, die, wahrscheinlich in Unkenntnis der Vokabel 'Sportsgeist', dies unfairerweise mit ihrem Einsatzwagen erledigen.
Aber wir haben Vorsprung.
In unserer Not klettern wir auf einen LKW und warten auf dem Dach ab, bis die Bullenkutsche außer Sichtweite ist. Nach verlassen unseres grandiosen Verstecks, zu dessen Auswahl wir uns gegenseitig beglückwünschen, bewegen wir uns nur noch in den Nebenstraßen. Olli kommt auf die Idee, in den Englischen Garten zu gehen und noch einen aufzubauen, was Nick und ich natürlich mit Begeisterung aufnehmen. 
  Nach der Tüte verbringen wir die nächste halbe Stunde damit, uns gegenseitig anzuheizen mit Visionen von großen Titten in engen Tops, schlanken Körpern die sich lasziv im Stroboskoplicht zum Beat bewegen und feuchten Zungen im Ohr beim kneten von festen Ärschen während sich heiße Körper aneinander reiben.
Nick kann seine Sexualität nicht länger unterdrücken und fordert uns zum Schwanzvergleich. Ich hab die Idee zum Wettwichsen, die beiden Verlierer sollen 
dem Gewinner Eintritt und Getränke zahlen.
Die beiden sind einverstanden, folglich stehen drei junge Männer in einer lauen Augustnacht mit offenen Hosen in einem Stadtpark im Mondschein und holen sich einen runter. Olli spritzt als erster auf die Parkbank, dann ich, Nick bringt vor lauter Lachen gar nichts auf die Reihe. Allerdings ist er so laut, daß die Besatzung eines Streifenwagens auf ihn aufmerksam wird. Die Burschen fahren unverschämterweise ohne Licht im Schritt- empo durch den Garten. 
Toll. Wieder auf der Flucht. Wer sind wir ? Die Dalton-Brüder ?
Auf der Flucht durch ein Gebüsch, wir sehen so gut wie gar nichts, spüre ich schon den heißen Atem der Bluthunde, die die Marshalls auf uns gehetzt haben. Im Laufen drehen wir uns um und schiessen mit der guten alten Winchester bis die Läufe glühen. 
Plötzlich pralle ich auf Olli, der vor mir ohne Ansage stehengeblieben ist und finde mich in der Wirklichkeit wieder. Ich geb ihm einen Schubs: 'los, beweg dich'.
Tja, der Eisbach. An den hatte ich gar nicht gedacht. Olli fällt ins Wasser, in dem Moment prallt Nick auf mich drauf, ich verliere ebenfalls das Gleichgewicht und kriege ihn im Fallen grade noch zu fassen. Wenn schon, denn schon.
20 Meter weiter Bachabwärts klettern wir tropfnass ans Ufer. Ein gelungener Abend.
Den Wolkenkratzer konnten wir erstmal vergessen, unser primäres Ziel heißt nun: trocken werden. Wir ziehen kurzerhand unsere Klamotten aus und hängen sie auf einen Baum, unter dem wir es uns gemütlich machen.
Da wir ziemlich praktisch veranlagt sind (wir hatten alle drei als Jungs Abenteuer und Überlebenshilfebücher gelesen) wickeln wir das Gras und die Papers in Silberfolie und trocknen beides zunächst über dem Feuerzeug, später über einem kleinen Feuer. Tatsächlich, nach ca. einer Stunde ist alles wieder einigermaßen brauchbar und wir rauchen nochmal drei, vier Joints.
Während unserer Diskussion über die Neuordnung unserer Gesellschaft (schlanke Frauen bis 30 dürfen keine Klamotten mehr tragen) pennen wir ein.
Ich wache auf weil mir irgendso ein Vollidiot einen Waschlappen ins Gesicht geworfen hat. Beim Öffnen der Augen entpuppt sich dieser jedoch als die Zunge eines Windhundes, der mir freudig erregt das Gesicht leckt.
Ich befreie mich angeekelt von dieser unerwarteten Liebkosung, sprinte zum Eisbach und wasche mir den verdammten Sabber vom Gesicht. Beim unterdrücken des Brechreizes beschließe ich ein Buch über 100 Tötungsarten für Hunde zu schreiben.
Titel: 'Die Kreativität der Tierversuchslabore'
Auf dem Rückweg realisiere ich, daß wir alle noch splitternackt unterwegs sind und etwas befremdet von den Morgenspaziergängern gemustert werden.
'Was wollt ihr, wir sind griechische Statuen, die heute Nacht durch einen Blitz zum Leben erweckt wurden'
Keine Reaktion. Olli und Nick ist das alles ziemlich egal, die pennen immer noch vor sich hin. Wenigstens sind unsere Klamotten noch da. Ich schnappe mir meine, setze mich unter den Baum und betrachte die, ob der beiden Nacktheit amüsierten, Spaziergänger. Allerdings nicht lange, ich hab tierischen Hunger und gehe frühstücken.

(c) 1996 der engel frank

 
   
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